Der Einfluss der Temperatur bei der Biogasproduktion

Die immer noch gängige Lehre geht davon aus, dass es zur Biogaserzeugung einen mesophilen (35 – 40 °C) und einen thermophilen Temperaturbereich (50 – 55 °C) gibt. Der mesophile Bereich soll stabilere biologische Prozessbedingungen ermöglichen, der thermophile schneller sein und mehr Gas machen. Das habe ich vor 20 Jahren auch noch geglaubt, auch wenn ich schon damals Zweifel hatte.

Ist es nicht recht unlogisch, dass es zwischen 40 und 50 °C keine Bakterien geben soll, die sich optimal an dieses Temperaturfenster angepasst haben? Ich weiß mittlerweile, dass die mesophil – thermophil – Lehre falsch ist, auch wenn sie selbst in neuesten Richtlinien einmal mehr abgeschrieben wurde. Ich betreibe Biogasanlagen seit mehr als 15 Jahren mit Fermentertemperaturen zwischen 30 °C und 55 °C und sehe keinerlei Unterschiede in Methanausbeute und Prozessstabilität.

Die im praktischen Anlagenbetrieb erkennbaren Unterschiede zwischen den Temperaturniveaus sind allesamt physikalisch erklärbar. Am wichtigsten ist der höhere Wasserdampfgehalt im Biogas. Das macht scheinbar mehr Biogas – es handelt sich aber lediglich um Wasserdampf, der bei Abkühlung kondensiert. Die Biogaskühlung muss bei höheren Fermentertemperaturen daher etwas größer dimensioniert sein.

Wie soll die optimale Fermentertemperatur nun gewählt werden?

Ich definiere die Fermenterzieltemperatur aus den Standortgegebenheiten. Dabei können z.B. zwei Extreme unterschieden werden, die Gülle-Monovergärung und die Silage-Monovergärung. Wenn ich ausschließlich Gülle vergären will und eine gute Wärmenutzung habe, mindere ich die Fermentertemperatur so weit, wie es möglich ist. Dadurch bleibt ein größerer Anteil an Wärme, die ich nutzen kann.

Diese zusätzlich nutzbare Wärme ist durchaus relevant. Bei einer Gülle-Monovergärung wird mindestens die Hälfte der BHKW-Abwärme zur Erwärmung der Gülle auf eine Fermentationstemperatur von z.B. 37 °C benötigt. Bei 30 – 32 °C Fermentertemperatur arbeitet die Biologie nach hinreichender Adaptionszeit ebenso gut wie bei 37 °C, der Wärmebedarf für die Fermenterheizung mindert sich jedoch deutlich und es bleibt etwa 30 % mehr Nutzwärme verfügbar.

Wenn in einer Biogasanlage dagegen ausschließlich Silage verarbeitet wird („Trockenfermentation“), ist die erforderliche Heizwärme für den Fermenter nahezu vernachlässigbar, besonders dann, wenn die Anlage bei erhöhter Raumbelastung betrieben wird. Durch die Rührer und die Eigenerwärmung wird genügend Wärme produziert, um die Fermentationstemperatur aufrecht zu erhalten. Abhängig vom Fermentationssystem und der Außentemperatur wird nur an sehr kalten Tagen eine Heizung benötigt. Kritischer ist hier die im Sommer auftretende unkontrollierte Eigenerwärmung im Fermenter.

Eine unkontrollierte Fermentererwärmung ist immer dann schädlich, wenn der Temperaturanstieg zu schnell und zu stark erfolgt. Ein Anstieg um 3 – 4 °C innerhalb von zwei Wochen kann die gesamte Biologie so stark schädigen, dass die Anlage „abstürzt“. Besonders wenig widerstandsfähig sind hier Anlagen, welche z.B. an einem Mikronährstoffmangel leiden oder die biologisch überlastet sind.

Die absolute Fermentertemperatur spielt keine Rolle!

Nach meiner Erfahrung im langjährigen praktischen Betrieb einer Reihe von verschiedensten Biogasanlagen spielt die absolute Fermentertemperatur keine Rolle, sofern sie irgendwo zwischen 30 und 60 °C liegt. Vermutlich sind auch deutlich höhere und geringere Temperaturen möglich. Allerdings kommt es entscheidend darauf an, wie diese Fermentertemperatur erreicht wird und darauf, dass sie dauerhaft konstant gehalten wird.

Die gewählte Fermentertemperatur muss kontrolliert eingestellt werden. Bei einer Neuinbetriebnahme sollte nach Möglichkeit ein Substrat verwendet werden, welches an eine ähnliche Temperatur adaptiert ist. Sollte dieses nicht verfügbar sein oder eine Änderung des bisherigen Temperaturniveaus nötig sein, muss die Temperaturänderung so langsam erfolgen, dass sich die Bakterien gut anpassen können. Dabei sollte die Änderung der Fermentertemperatur nicht mehr als 1 °C pro Woche betragen.

Wenn nun der Fermenter kalt geworden ist, weil z.B. das BHKW einen Schaden hatte – muss ich dann wieder so langsam erwärmen? Ich behaupte nein. Wenn die Biologie auf ein Temperaturniveau von z.B. 52 °C eingeschwungen ist (meine Vorzugstemperatur bei der Silagemonovergärung in Deutschland), ist die ganze Biologie darauf getrimmt. Kühlt der Fermenter nun auf z.B. 44 °C ab, kann die Zieltemperatur von 52 °C nahezu beliebig schnell wieder eingestellt werden, ohne dass die Biologie beschädigt wird. Dabei ist aber darauf zu achten, dass die Bakterien nicht an zu heißen Heizflächen gekocht werden.

Eine Abkühlung ist weniger schädlich für die Bakterien als eine Erwärmung. Dabei werden diese lediglich träger und fauler. Ist eine dauerhafte Umstellung eines Fermenters auf eine geringere Temperatur geplant, sollte die Absenkung erneut nicht mehr als 1 °C pro Woche betragen. Damit ist sichergestellt, dass sich die Fermenterbiologie anpassen kann und keine Leistungseinbrüche auftreten.

In Kürze

  • Vergessen Sie mesophil und thermophil, das stimmt nicht.
  • Es spielt keine Rolle ob Sie bei 30, 38, 44 oder 52 °C fahren, solange die Temperatur nur konstant gehalten wird.
  • Die Temperatur muss möglichst konstant gehalten werden.
  • Gezielte Temperaturänderungen sollten mit maximal 1 °C pro Woche erfolgen.
  • Ein schneller Anstieg der Temperatur über 3 – 4 °C in zwei Wochen ist schädlich.

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Ich werde die Fragen sammeln und soweit möglich in einem speziellen Beitrag beantworten.